(Die erste Version dieses Textes über „Interrail mit Kind“ habe ich bereits 2022 auf meiner Künstlerseite veröffentlicht. Hier findest du das Original)
Wusstest Du, dass das Interrail Ticket für Kinder unter zwölf kostenlos ist, wenn ein Elternteil ein Ticket hat? Da mein Sohn im Sommer 2022 seinen zwölfte Geburtstag gefeiert hat, haben wir noch schnell die Pfingstferien davor genutzt, um auf eine große Reise zu gehen. Das Herzstück war eine Strecke, die als eine der schönsten in Europa gilt, und schon lange auf meiner Liste stand: Stockholm-Narvik. 20 Stunden mit dem Nachtzug bis weit über den Polarkreis hinaus durch die endlosen Weiten der skandinavinschen Landschaft.
Das erwartet dich in diesem Artikel
Anreise
Schon die Anreise nach Stockholm hielt einige Herausforderungen bereit.
Wenn der gebuchte Zug nicht existiert…
Da Interrail nur einen einzigen Reisetag im eigenen Land erlaubt, wollten wir die Strecke Peißenberg-Kopenhagen „in einem Rutsch“ erledigen. Beim Umsteigen in Hamburg stellte sich allerdings heraus, dass der gebuchte Zug garnicht exisitiert…

Sehr zu meiner Enttäuschung führte die alternative Route zwar über die berühmte Vogelfluglinie, allerdings nicht per Eisenbahnfähre. Die wurde nämlich 2019 eingestellt. Heute steigt man am Bahnhof Puttgarden in einen Bus um, der die Passagiere auf die Fähre nach Dänemark bringt. Dort angekommen lagen auch noch einige Straßenkilometer vor uns, bevor wir wieder in den Zug umsteigen konnten.
… das Interrail Ticket die Busfahrt nicht übersteht…
Auf Reisen weiß man nie, was kommt. Sicherheitshalber drucke ich immer allte Tickets doppelt aus und verstaue sie in unterschiedlichen Gepäckstücken. Ich habe Kopien von Ausweisen dabei, und die Krankenkassenkarte abfotografiert, damit die Daten im Handy sind. Das einzige ohne Sicherungskopie war das Interrail Ticket. Es kann in der App (nachvollziehbarerweise) nur auf einem einzigen Gerät aktiviert werden. Auf meinem Smartphone. Dessen Display irgendwo zwischen Deutschland und Dänemark so kaputt gegangen ist. Glücklicherweise glaubte uns das die freundliche Zugbegleiterin, und wir mussten nicht mal nachlösen.
… und alle gleichzeitig nach Schweden wollen.
Nach dem Pfingstwochenende in Kopenhagen, wo wir unter anderem den ältesten Vergnügungspark der Welt kennen lernten, konnte ich mein Telefon reparieren lassen. Die nächste Herausforderng bestand darin, einen Zug nach Stockholm zu buchen. Denn auch wenn man mit dem Interrail Ticket theoretisch in jeden Zug einsteigen kann; viele Züge sind trotzdem reservierungspflichtig. Die Verbindung von Kopenhagen nach Stockholm mit dem Hochgeschwindigkeitszug scheint besonders gefragt zu sein. Wann immer ich einen Zug gefunden hatte und versuchte, über die Webseite der dänischen Bahn Plätze zu reservieren, war er ausgebucht. So haben wir uns letzendlich für den klassischen Weg entschieden: Zum Hauptbahnhof fahren und am Ticketschalter nachfragen. Wir buchten frühmorgens die Nachmittagsverbidung und verbrachten einen letzen Tag in Kopenhagen.

Die „Eisenerzlinie“ Stockholm-Narvik
Im Nachtzug nach Boden

Normalerweise schlafe ich ausgezeichnet im Zug, aber auf dieser Strecke habe ich nach dem ersten Aufwachen kaum noch ein Auge zubekommen. Ich war einfach zu fasziniert von der Landschaft vor den Fenstern. Und ehrlich gesagt ist es natürlich auch einfach zu verlockend, wenn man im Liegen und vom Bett aus fotografieren kann.
Der Nachtzug hat mich übrigens nicht nur mit seinen gemütlichen Betten überzeugt, sondern auch mit der großartigen Auswahl und Aussicht im Speisewagen. Ausgestattet mit heißem, veganen Porridge und Hafermilch in meinem Kaffee saß ich schon früh morgens am Panoramafenster und beobachtete, wie die Dämmerung in einen (relativ trüben) Tag überging.

Über den Polarkreis nach Narvik
Nach dem Umstieg in Boden in einen regulären „Tagzug“ ging es weiter Richtung Kiruna – eine Stadt mitten im Nirgendwo, deren Eisenerzmine der Grund für die Eröffnung dieser Eisenbahnlinie war. Bereits 1903 wurde die Strecke eröffnet, um die reichen Erzvorkommen zum Hafen von Narvik zu transportieren, von wo aus sie in alle Welt verschifft wurden.
Je weiter wir Richtung Norden kamen, desto „arktischer“ wurde die Landschaft. Moore mit vereinzelten Bäumchen wechselten sich mit flachem, leeren Land ab und die ersten schneebedeckten Bergrücken tauchten auf. Die letzen Wolken verzogen sich, die Sonne strahle, und ließ die malerischen Seen in dem strahlendsten Blau schimmern, das ich je gesehen habe.

Nach zwei (taghellen) Nächten und einem strahlend schönen Tag am Ofotfjord machten wir uns bereits auf den Rückweg – denn um ganz ehrlich zu sein, war ja die Zugfahrt der eigenliche Zweck unserer Reise. Ich könnte noch viel erzählen: über die Schwierigkeiten nach Abfahrt des letzen Busses noch zum Hostel zu kommen, die glitzernden Strände des Fjords, die lokalen Spezialitäten wie Kartoffelpfannkuchen, die freundliche Möwe auf dem Balkon und so vieles mehr.
Ein ganz kurzer Ausflug in die Eisenbahngeschichte

…OK, einer noch: Die Strecke wurde bereits 1922 komplett elektrifiziert, so dass die Bifrost später nur noch als Rangierlokomotive genutzt wurde.
Die Rückreise und die Freiheit von Interrail
Nach der Lektion bei der Anreise wusste ich wie schwer es ist, einen Platz im begehrten Stockholm-Kopenhagen Schnellzug zu ergattern. Also begann ich schon von Norwegen aus nach verfügbaren Zügen zu suchen. Leichter gesagt als getan, denn diese Verbindung war noch ausgebuchter als der Hinweg vor einigen Tagen. Weil wir keine Lust hatten, noch mehrere Tage in Stockholm zu verbringen oder mitten in der Nacht in Kopenhagen anzukommen, beschlossen wir die Freiheit von Interrail zu nutzen und sahen uns nach Alternativen um.
Per Fähre nach Gdansk
Die Zugverbindungen von Schweden nach Deutschland sind relativ überschaubar, und die Route über Kopenhagen war nicht buchbar. Es war also relativ schnell klar, dass wir eine Fähre nehmen würden – auch da bekommt man zum Teil Nachlässe auf die Fahrpreise, wenn man mit einem Interrail Ticket unterwegs ist. Wir haben mehr oder weniger alle Fährverbindungen angeschaut, und die Heimreise über Polen vor allem deshalb gewählt, weil die Verbindung gut gepasst hat, und die Übernachtfahrt eine weitere Nacht in Stockholm ersetzt hat. Auch wenn ich vorher schon wusste, dass Skandinavien nicht ganz billig ist, war ich doch immer wieder überrascht davon, wie teuer auch Jugendherbergen und Hostels sein können – von Lebensmitteln und Restaurantbesuchen ganz zu schweigen.

Eine gemütliche Nacht in der Kabine (ohne Fenster und daher ohne die Gefahr, etwas zu verpassen), ein mittelprächtiges Frühstück auf der Fähre (eine Fähre unter polnischer Flagge, die vor allem von Fernfahrern genutzt wird erwartet offenbar ein deutlich weniger veganes Publikum als die schwedische Eisenbahn) und schon hatten wir die Ostsee überquert.
Polen: Mohn, Mohn und noch mehr Mohn
Für unseren Weg von Gdansk über Poznan nach Berlin hatten wir fantastisches Timing. WIr haben Polen inmitten der Mohnsaison durchquert, und ich konnte die Kamera kaum einen Moment aus der Hand legen. Auch wenn mich das zeitweise fast in den Wahnsinn getrieben hat, habe ich doch unglaublich viele neue Lieblingsmotive mitgebracht.
We‘re going from Gdansk to Poznan by train, and it’s poppy flower season in Poland. They are my favourite splashes of colour in an agricultural landscape, but also tend to make me crazy. I cannot predict in which field they will show up, so I have to be on constant vigilance. It’s quite exhausting to stand between the compartments, balancing out the movement of the train and holding up the camera all the time. But whenever I go to sit down, the most beautiful field will show up, vanishing before I can make it to the window… So habe ich das an diesem Tag auf meinem Instagram Account beschrieben